1. Einfuehrung

Durch die Digitalisierung der audiovisuellen Medien ist die Industrie in eine Zwangslage geraten. Technisch ist es moeglich, Musik und Film ohne Verluste zu kopieren und zu verteilen. Immer mehr Menschen nutzen diese Moeglichkeiten. Der Musik- und Filmindustrie entstehen daduch riesige Verluste.

Auf der anderen Seite steht die Computerindustrie, die durch den massenhaften Absatz von Multimediacomputern immer groessere Gewinne macht. Die Moeglichkeit, Musik und Video vom Internet herunterzuladen, entwickelt sich bei steigenden Bandbreiten der Netze zur Killerapplikation.

Ein Killer im wahrsten Sinn des Wortes - die Verteilung audiovisueller Inhalte ueber das weltweite Netz loest die traditionellen Vertriebswege der Contentindustrie (Radio, Fernsehen, CD, VHS) ab. Das Netz befindet sich aber in den Haenden der Benutzer - technisch gesehen ist jeder User in der Lage, Inhalte anzubieten und zu verteilen.

Technische Standards sollen verhindern, dass digitale Inhalte kopiert werden koennen. Bisher haben Computernutzer immer einen Weg gefunden, diese Technik zu ueberlisten beziehungsweise zu umgehen (z.B. Macrovision, DVD CSS). Restriktive Standards, die es den Benutzern nicht erlauben, Kopien fuer den privaten Gebrauch anzufertigen, werden nicht akzeptiert.

Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass es technisch unmoeglich ist, das Kopieren digitaler Inhalte zu verhindern (fuehrende Wissenschaftler auf dem Gebiet der Verschluesselung bestaetigen dies, z.B. Bruce Schneier).

Teile der Industrie kaempfen immer noch gegen die Windmuehlen der Technik und versuchen mit den unterschiedlichsten Mitteln gegen die Entwicklung anzukaempfen, die nicht mehr aufzuhalten ist: Betreiber von Websites und Netzbetreiber werden verklagt, immer neue technische Standards sollen das Problem loesen - andere Teile der Industrie denken bereits ueber neue Geschaeftsmodelle nach.

Langsam erkennt die Industrie, dass sie den neuen Moeglichkeiten der Technik nicht gewachsen ist. Sie uebt deswegen Druck auf die Regierungen aus, Gesetze den neuen Gegebenheiten anzupassen. Kopierschutz versucht, Copyrights zu wahren. Wenn Kopierschutz unmoeglich ist, dann ist es fraglich, ob Copyright (das Recht des Autors an seinem Werk) noch Chancen hat.

2. Urheberrecht (Copyright) in Deutschland

Bei der Nutzung von Inhalten unterscheidet man zwischen direkter Nutzung und sendungsunabhaengigem Einsatz (z.B. Aufzeichnung, Mitschnitt)

Urheberrecht (seit 1966): Der Urheber eines Werkes (z.B. Autor, Komponist) und dessen Interpreten (z.B. Schauspieler, Musiker) haben alle Rechte fuer die verschiedenen Nutzungsmoeglichkeiten des Werkes oder der Darbietung.

Das Recht an seinem Werk hat der Autor uebrigens ohne dass er es besonders anmelden muss. Es genuegt zu beweisen, dass man der Autor ist (zum Beispiel durch die Hinterlegung des Werks bei einem Anwalt).

Jede von einem Dritten beabsichtigte Nutzung eines Werkes oder einer Darbietung bedarf grundsaetzlich der Zustimmung der Berechtigten (verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie Art. 14 GG).

Es gibt mehrere Verfahren zur Abloesung der Rechte:

Nach dem Urheberrechtsgesetz darf der Urheber (also Autor und Kuenstler) ueber die Nutzung seines Werkes entscheiden. Er kann somit einem anderen erlauben, das Werk auf verschiedene Arten zu nutzen (§ 31 UrhG). Diese Verwendung sichert dem Urheber direkt oder indirekt den Lebensunterhalt.

Beim Mitschnitt von Sendungen und der anschliessenden Verwendung koennen folgende Nutzungsrechte betroffen sein:

2.1 Vervielfaeltigungsrecht

die Herstellung von Aufzeichnungen gilt als Vervielfaeltigung. Eine Kopie wird als "Vervielfaeltigungsstueck" bezeichnet. Das gilt auch fuer die Kopie von der Kopie...

2.1.1 Schulfunk

Ausnahmeregelung: Schulen, sowie Einrichtungen der Lehrerbildung und Lehrerfortbildung durfen einzelne Vervielfaeltigungsstuecke von Werken herstellen (§ 47 UrhG). Das gilt nur fuer ausdruecklich als Schulfunk ausgewiesene Sendungen (z.B. Chaosradio).

Zweck der Regelung ist es, den Schulfunk dem Lehrplan anpassen zu koennen.

2.1.2 Vervielfaeltigung zum persoenlichen Gebrauch

Es ist zulaessig, einzelne Vervielfaeltigungsstuecke eines Werkes zum persoenlichen Gebrauch anzufertigen (§ 53 Abs. 1). Das gilt nur fuer natuerliche Personen (im Gegensatz zu juristischen Personen).

Persoenlicher Gebrauch bedeutet nur die Benutzung des Werkes in der Privatsphaere. Jede anderweitige Benutzung (z.B. im beruflichen Bereich) ist eine "Vervielfaeltigung zum sonstigen eigenen Gebrauch" nach § 54 UrhG.

Was unter Privatsphaere zu verstehen ist, ist Auslegungssache und wird von den Juristen heftig diskutiert. Wenn jemand im CCC ein Werk auffuehrt, das er mitgeschnitten hat, darf er das nur, wenn er sich in seiner privaten Sphaere befindet, sprich in seiner Freizeit.

Ist einmal etwas aufgezeichnet (was ja nach § 53 ausdruecklich erlaubt ist), besteht die Moeglichkeit, dass es auch rechtswidrig eingesetzt wird (z.B. im Internet verbreitet wird).

Dass Privatkopien erlaubt sind, nutzen die Hersteller von sogenannten Kopierschutzkillern aus. (siehe Kopierschutzkiller. Dies ist eine Vorrichtung zum Deaktivieren des Macrovision Kopierschutzes fuer VHS Cassetten. Das Teil ist nicht illegal).

2.1.3 Vervielfaeltigung zum sonstigen eigenen Gebrauch

es ist erlaubt, Vervielfaeltigungsstuecke anzufertigen oder anfertigen zu lassen zum eine oeffentliche Wiedergabe der Vervielfaeltigungsstuecke ist auf jeden Fall unzulaessig.

2.2. Verbreitungsrecht

Nach § 17 UrhG das Recht, das Orginal oder Vervielfaeltigunsstuecke des Werkes der Oeffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen.

Es ist denkbar, dass jemand eine DVD aufnimmt und mit einem Freund gegen eine andere DVD tauschen moechte.

Man koennte das Verbreitungsrecht jetzt so verstehen, dass sie Freunde nicht gegen das Verbreitungsrecht verstossen, wenn sie die DVDs tauschen, da das ja nicht in der Oeffentlichkeit stattfindet. Dazu muesste man mal einen Juristen fragen.

In dem Moment, wo er das Vervielfaeltigungsstueck der Oeffentlichkeit anbietet (also z.B. auf einen FTP Server legt), verstoesst er gegen das Gesetz. Unabhaengig davon, ob er fuer die Kopie Geld verlangt oder nicht.

Ein Beispiel aus dem Leben der deutschen Kabelnetzbetreiber zeigt, wie schwer es selbst grossen Firmen faellt, das Verbreitungsrecht zu verstehen und zu befolgen.

2.3 Recht zur Wiedergabe von Funksendungen (§ 22 UrhG)

Wer vom Urheber die Rechte zur Vervielfaeltigung und Verbreitung eines Werks erworben hat, kann auch das Recht zur Wiedergabe von Funksendungen erwerben ("das Recht, Funksendungen des Werkes durch Bildschirm, Lautsprecher oder aehnliche technische Einrichtungen oeffentlich wahrnehmbar zu machen").

Gemaess § 15 UrhG ist die Wiedergabe eines Werkes oeffentlich, es sei denn, dass der Kreis dieser Personen bestimmt abgegrenzt ist und sie durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehungen zum Veranstalter untereinander verbunden sind.

Nicht unter den Begriff der Oeffentlichkeit faellt unter anderem der Bekannten- oder Freundeskreis.

2.4. Bearbeitungsrecht/ Veraenderungsrecht (§§ 23, 39 UrhG)

In vielen Faellen werden Toene und Bilder aufgenommen, um sie nachtraeglich zu veraendern bzw. als Rohmaterial fuer eigene Werke zu verwenden (z.B. elektronische Musik durch "Sampling").

Das Gesetz sagt hierzu, dass eine quantitative Aenderung (z.B. Herausschneiden) nicht als wirkliche Aenderung anzusehen ist. Eine echte Bearbeitung (§ 23 UrhG) z.B. Aenderung von Inhalt und Aufbau einer Sendung bedarf auf jeden Fall der Zustimmung des Urhebers.

Ein Werk, das aus Einzelteilen von Programmbeitraegen entstanden ist, ist nur dann geschuetzt, wenn die Rechte an den Einzelteilen von den jeweiligen Urhebern erworben wurden.

3. Aktuelle Entwicklung

Wir zitieren dvd.flatline.de:

"Alles fing damit an, daß es rechtlich sehr schwer ist, Copyrights auf digitalen Content durchzusetzen. Daher hat die Film-Industrie versucht, ihre Pfründe über den Umweg des technischen Kopierschutzes zu sichern. Daher hat man CSS ersonnen und geschützt und versucht jetzt, Kopierer zu belangen, weil sie CSS gebrochen haben, nicht weil sie die Inhalte kopiert haben." Nachdem der technische Kopierschutz offensichtlich unmoeglich ist, scheinen die Gesetzgeber dem Druck der Industrie nachzugeben und die Gesetze zu aendern.

Beispiele der neuen Gesetzesentwuerfe sind bereits im Netz zu finden:

Der Grundtenor dieser Entwuerfe ist der gleiche: wenn es unmoeglich ist, zu verhindern, dass Zuschauer Werke fuer den privaten Gebrauch kopieren und diese dann unkontrolliert verteilen, dann wird das Recht der Kopie fuer den privaten Gebrauch beschnitten.

Zitat:

 
In the specific case of digital recording media (which make rapidly
unlimited numbers of perfect copies), Member States would be enabled to allow
rightholders to control private copying by way of operational, reliable and
effective technical means to protect their interests, where these technical
means existed. 

Das koennte bedeuten, dass es gesetzlich verboten ist, den Kopierschutz einer DVD zu entfernen, auch wenn das ein Kinderspiel ist.

Bisher haben die Anwaelte der Filmindustrie, die gegen die Entwickler von DeCSS und anderen Werkzeugen zum Entfernen des Kopierschutzes vorgehen muessen, naemlich ein Problem: das Gesetz, gegen das diese Entwickler verstossen haben sollen, gibt es nicht wirklich..

Anschuldigungen der Lawyer stuetzen sich momentan auf den sogenannten Copyright, Designs and Patterns Act. Darin steht unter anderem:

 (1) This section applies where copies of a copyright work are
                  issued to the public, by or with the licence of the
              copyright owner, in an electronic form which is copy-protected.

              (2) The person issuing the copies to the public has the same
                  rights against a person who, knowing or having reason to
              believe that it will be used to make infringing copies-

                    (a) makes, imports, sells or lets for hire, offers or
                        exposes for sale or hire, or advertises for sale
                    or hire, any device or means specifically designed or
                    adapted to circumvent the form of copy-protection employed,
                    or

                    (b) publishes information intended to enable or assist
                        persons to circumvent that form of
                    copy-protection,

              as a copyright owner has in respect of an infringement of
              copyright.

Dieses Gesetz wuerde aber nur greifen, wenn DeCSS speziell dafuer konzipiert worden waere, den Kopierschutz von DVDs zu entfernen. Dies zu beweisen wird schwierig sein.

Die hier zitierten Gesetze und Gesetzesvorschlaege sollen eines Tages in Europa und den Vereinigten Staaten gelten. China ist nach wie vor autonom.

© swann